Porträt A.Vogel: Vom Kräutersammler zum Global Player
Beni Rachad

A. Vogel feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Wie fühlt sich das an?
Es ist eine Ehre, Teil von A.Vogels 100-jähriger Geschichte zu sein. Unsere «Heritage» zeigt sich nicht nur in unserem Erfolg, sondern bringt auch Verantwortung. Alfred Vogel als Gründer ist unser Fundament. Seine Werte leben in unserem Markenkern weiter.
Wie ist Ihr Unternehmen aufgestellt?
A.Vogel ist in 25 Ländern vertreten, mit Schwerpunkten in der Schweiz und den Niederlanden. Weiter haben wir in verschiedenen Ländern Tochtergesellschaften, beispielsweise in Grossbritannien, Kanada, Dänemark und Finnland. In diesen Ländern sind wir stark vertreten. Unser internationales Vertriebsnetzwerk, das sich über weite Teile des Globus spannt, gründet grösstenteils auf Alfred Vogels Beziehungen. Sein Charisma inspirierte die Menschen schon damals, sich für den Vertrieb unserer Produkte einzusetzen. Diese historischen Beziehungen erleichtern uns heute den globalen Vertrieb und sorgen dafür, dass wir in vielen Ländern schon lange aktiv und dadurch fest verwurzelt sind.
Wie ist die Unternehmung heute noch mit dem traditionellen Kräutersammeln von damals zu vergleichen?
Das Erstaunliche ist, dass unser Grundprinzip seit den Anfängen unverändert geblieben ist. Alfred Vogel besass ein aussergewöhnliches Gespür für Heilpflanzen, ein Wissen, das ihm über Generationen weitergegeben wurde. Seine Grossmutter und seine Eltern führten ihn in die heilenden Kräfte von Pflanzen ein. Dieses Wissen ergänzte er mit Weltreisen in den 1950er- und 1960er-Jahren, von denen er mit faszinierenden Geschichten und neuen Pflanzen zurückkehrte. Inspiriert davon, beleben wir heute alte Pflanzen wie die Lactuca (Lattich, wilder Salat) wieder. Ihre beruhigende Fähigkeit, die im milchigen Saft der Pflanze steckt, wirkt sich positiv auf die Schlafförderung aus. Unsere Kooperation mit Ethnobotanikern ermöglicht uns solche Entwicklungen, ohne um die Welt zu reisen, wie dies Alfred Vogel damals tat.
Weshalb verwenden Sie Frischpflanzen in Ihren Produkten?
Die Verwendung von Frischpflanzen ist für uns essenziell. Alfred Vogel wusste, dass diese wirksamer als getrocknete sind. Moderne For- schung bestätigt dies: Frischpflanzen zeigen höhere Aktivität, was auch in Tests belegt wurde. Um diesem Ansatz gerecht zu werden, bauen wir einen sehr grossen Teil der von uns verwendeten Pflanzen selbst an und pflegen starke Beziehungen zu den Vertragsbauern in der Region. Diese Strategie erlaubt uns, die frisch geernteten Pflanzen auf kurzen Wegen direkt in die Produktionsstätten bringen zu können, wo sie schliesslich verarbeitet werden. In diesem Prozess werden die Pflanzen zerkleinert und mit einer Alkoholmischung angereichert, bevor die Mischung über Tage gepflegt wird. Danach wird der daraus entstehende Saft ausgepresst und die pflanzlichen Überreste werden abgeführt. Diese Tinktur verarbeiten wir dann weiter– teilweise zu Granulat, woraus Tabletten entstehen – bis zum finalen Produkt.
Wie balancieren Sie Anforderungen und Erwartungen internationaler Märkte mit der Erhaltung des traditionellen schweizerischen Charakters aus?
Das Gleichgewicht zwischen schweizerischem Erbe und internationalen Marktbedürfnissen ist eine Herausforderung. Auch wenn globale Märkte schnelle Innovationen und viele Produkte fordern, betont unsere Strategie die Werte unserer Marke: Tradition, hohe Qualität und Schweizer Herkunft. In Ländern wie Holland sind wir so bekannt wie Coca- Cola. Unser Ziel ist es, weltweit als Top-Marke anerkannt zu sein und dabei unsere Werte beizubehalten.
Traditionelle Anwendungen bieten wertvolle Hinweise, während moderne Methoden diese vertiefen und zur Weiterentwicklung von Heilmitteln beitragen.

Dr. Andy Suter, CEO von A.Vogel
Welche Herausforderungen sehen Sie und wie plant A.Vogel, diesen zu begegnen?
Wir müssen uns von einer Flut von Pflanzenheilmitteln auf dem Markt abheben. Dieser Herausforderung begegnen wir, indem wir unsere Marke stärken, in wissenschaftliche Forschung investieren, Verbraucher aufklären und eine konsequente Qualitätskontrolle sicherstellen. Die gute Zusammenarbeit mit Fachleuten setzen wir fort, um Glaubwürdigkeit und Aktualität in der Produktentwicklung zu gewährleisten.
Wie integriert A.Vogel Nachhaltigkeitsthemen in die Produktion?
Der Anbau von unseren Pflanzen bindet bereits erhebliche Mengen an CO2. Nach der Produktion wird das überschüssige Pflanzenmaterial in Biogasanlagen umgewandelt, um Strom zu erzeugen. Zudem haben wir Projekte zur Förderung der Biodiversität, bei denen unsere Mitarbeitenden aktiv mithelfen. Die lokale Produktion und Beschaffung von Pflanzen aus der Region sowie vor unserem Haus minimieren Transportwege und damit den Ausstoss von CO2.
Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen traditioneller Pflanzenheilkunde und moderner Medizin?
Als Synergie. Viele traditionelle Heilmittel, die sich über die Zeit bewährt haben, können heutzutage mit modernen medizinischen Methoden genauer untersucht werden, was zu neuen Erkenntnis- sen führt. Ein Beispiel dafür ist unser Hauptprodukt, Echinaforce. Annahmen besagten, dass es primär das Immunsystem stärkt. Doch neuere Forschungen haben gezeigt, dass die Pflanze Echinacea purpurea direkt gegen Viren wirkt. Traditionelle Anwendungen bieten wertvolle Hinweise, während moderne Methoden diese vertiefen und zur Weiterentwicklung von Heilmitteln beitragen.
Infobox Unternehmensporträt
Das Unternehmen A.Vogel bietet Produkte an, die auf der Heilkraft von Frischpflanzen basieren. A.Vogel mit Sitz in Roggwil TG setzt jährlich CHF 115 Millionen um und beschäftigt weltweit rund 500 Fachkräfte. Mit Produktionsstätten in Roggwil, Appenzell, Elburg (NL) und Colmar (FR) ist das Thurgauer Unternehmen in 25 Ländern tätig.