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IHK ruft den Regierungsrat und die Politik zum Sparen auf

Nach ein paar fetten Jahren steht der Thurgau – zumindest was die Staatsrechnung anbelangt – wohl vor ein paar mageren Jahren. Der Kanton muss sich mit tieferen Erträgen bei gleich bleibenden bzw. steigenden Aufwänden beschäftigen. Er hat in der Vergangenheit stark von ausserordentlich hohen Sondererträgen profitiert, die vorerst wegfallen. Folglich ist bei den staatlichen Tätigkeiten nun Sparen angesagt.
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Die Regierung und die Verwaltung in Frauenfeld sind in kommenden Jahren zum Sparen aufgerufen

Im Sommer hat Regierungsrat Urs Martin vorausblickend angekündigt, dass bei der Staatsrechnung 2024 zum budgetierten Aufwandüberschuss von CHF 87 Millionen weitere CHF 45 Millionen dazu kommen könnten – also total ein Minus von rund CHF 132 Millionen. Begründet wurde dies mit höheren Ausgaben und tieferen Einnahmen. Zwischen 2015 und 2022 hatte die Thurgauer Staatsrechnung mit bisweilen sehr hohen Ertragsüberschüssen abgeschlossen. Zudem schob der Kanton zuletzt ein Vermögen von über einer halben Milliarde Franken vor sich her. Mit der im Januar vorgestellten Finanzstrategie sowie mit dem Budget 2025 will die Regierung unter anderem den Steuerfuss für mindestens sechs Jahre erhöhen, die bereits beschlossene Abschaffung der Liegenschaftssteuer, über die das Volk 2025 abstimmen wird, nach hinten schieben sowie auf die Abschaffung von weiteren Gebühren verzichten. Zum jetzigen Zeitpunkt lehnt unsere Kammer diese Massnahmen klar ab. Eine prophylaktische und zugleich markante Erhöhung des Steuerfuss‘ ist der falsche Weg.

Sparen ist wie Fasten

Die sich abzeichnende Finanzlage des Kantons ist einerseits auf den Wegfall der Ausschüttungen der Nationalbank sowie auf die Rückgänge aus dem nationalen Finanzausgleich des Bundes zurückzuführen. Das heisst, dass der Thurgau ein strukturelles Defizit hat, wenn die erwähnten Sondereinnahmen längerfristig ausbleiben. Es ist deshalb nicht angezeigt, einfach die Einnahmen zu erhöhen bzw. den

Steuerzahler an die Kasse zu zwingen. Vielmehr muss nun eine Reduktion der staatlichen Ausgaben im Zentrum stehen, um die Aufwände möglichst wieder aus eigener Kraft stemmen zu können. Bei einem jährlichen Gesamtaufwand von rund CHF 2.5 Mia. machen die prognostizierten Aufwandüberschüsse von inzwischen prognostizierten CHF 132 Mio. (2024) bis CHF 44 Mio. (2027) gerade mal 1.76 bis 5.3 % des gesamten Haushalts aus. Einsparungen in diesem überschaubaren Rahmen müssen möglich sein – auch wenn sie im Einzelfall schmerzhaft sein mögen. Sparen kann im genannten Rahmen auch als «Fasten» bezeichnet werden. Man merkt eine Veränderung, man wird wieder etwas fitter und realisiert, dass einem am Ende kaum etwas fehlt. Alles in allem gesund.

Personalaufwand wächst konstant

Politikerinnen und Politiker verlauten gerne und oft, dass ein Kanton nicht mit der Führung eines Unternehmens verglichen werden könne. Dem ist teilweise zu widersprechen. Ja, es gibt gebundene Staatsausgaben, die gesetzlich definiert sind und unmittelbar wenig Spielraum bei der Budgetierung zulassen. Aber, Gesetze und somit die Bindung der Finanzen könnte man anpassen, wenn man den wollte. Und nein, natürlich gibt es diverse Ausgaben einer Verwaltung, die man anpassen kann. Einer der grössten Kostentreiber einer Verwaltung ist das Personal. Im Thurgau steigt der Personalaufwand in den vergangenen 25 Jahren konstant an – in den letzten Jahren sogar überdurchschnittlich. Im Einzelfall wohl immer gut begründet, in der Summe jedoch eine stetig wachsende Last. Auch das kommende Budget 2025 verspricht wiederum einen saftigen Zuwachs an Staatsangestellten – und dies in Zeiten von Aufwandüberschüssen und negativen Prognosen. Spätestens jetzt müsste sich eine unternehmerisch denkende Person überlegen, ob man die Personalkosten reduzieren oder zumindest bis auf weiteres fixieren könnte.

Staat wächst stärker als Wirtschaft

Seit Jahren wächst die kantonale Verwaltung. Gleichzeitig werden bestehende Stellen in der Verwaltung kaum abgebaut bzw. vor einer Neubesetzung wenig hinterfragt. Denkbar wäre eine Umschichtung im Personalbestand. Wenn es erwiesenermassen mehr Lehrkräfte, Steuerbeamte oder Polizisten benötigt, dann muss an anderen Orten, wo weniger konkreter Bedarf ausgewiesen wird, entsprechend abgebaut werden. Auch im Thurgau war das Staatswachstum in den vergangenen Jahren grösser als das Wirtschaftswachstum. Die stetige Zunahme der Staatsquote führt direkt zu einer abnehmenden Wertschöpfung und dem Verlust von Wettbewerbsfähigkeit. Es ist deshalb wichtig, dass Projekte und Arbeiten der Verwaltung ein Preisschild erhalten. Auch als Signal an die Politik bzw. den Grossen Rat, der in seinen Sitzungen mit guten und weniger guten Ideen, die in Aufträgen an die Verwaltung münden, zur wachsenden Staatsquote beiträgt. Zudem sollten sich Staatsangestellte im Grossen Rat am politischen Credo eines «schlanken Staates» und nicht an Erträgen für ihre eigenen Bereiche oder Gemeinden orientieren. 

Grundlagen für Kanton sind gut

Die anstehende Legislatur bringt grosse Herausforderungen für die Thurgauer Regierung. Die Industrie- und Handelskammer wird das Gremium daran beurteilen, wie es den Kanton in den kommenden vier Jahren weiterbringt. Der Thurgau ist einer der Kantone, dessen Bevölkerung stetig wächst, was für seine Standortattraktivität spricht. Im Gleichen wachsen die Steuerkraft und die Anzahl der potenziellen Arbeitskräfte. Diesem Wachstum gilt es erfolgreich zu begegnen. Dazu gehört, dass Massnahmen aus dem neuen Thurgauer Wirtschaftsleitbild und den Regierungsrichtlinien konsequent umgesetzt werden. Mit Blick in die Zukunft kann es ein durchaus realistisches Szenario sein, dass die kantonalen Steuererträge aufgrund des Bevölkerungswachstums stetig weiterwachsen, die SNB wieder Ausschüttungen machen kann und der nationale Finanzausgleich ab 2026 wieder seine Wirkung zugunsten des Thurgaus entfalten wird. Ebenso hat der Kanton gerade für solche Schwankungen in den vergangenen Jahren höhere Reserven angelegt. Der Thurgau verfügt über solide bzw. steigende Steuererträge sowie über ein Nettovermögen. Daran sollte sich auch die Regierung vorerst orientieren.

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Der Personalaufwand des Kantons steigt über 20 Jahre konstant an. (Quelle: DFS)